Dr. Judith Mletzko
Im Einsatz als Ärztin in der Zentralafrikanischen Republik
Name
Dr. Judith Mletzko
Alter
35 Jahre
Beruf
Ärztin
Einsatzland
Zentralafrikanische Republik, Bossembélé
Einsatzdauer
6 Monate
Wie sieht Dein Arbeitsalltag / Aufgabenbereich aus?
Mein Wecker klingelt oft bereits um 5:15 Uhr, da ich die etwas kühleren Stunden am Morgen nutze, um mit einem Kollegen joggen zu gehen. Bossembélé ist dann noch ganz ruhig und verschlafen, und wir sehen gemeinsam die Sonne aufgehen.
Um 7:30 Uhr gehe ich zur Frühbesprechung, an der alle Fachabteilungen gemeinsam teilnehmen und innerhalb derer die aufgenommenen Patient:innen aus dem Dienst oder Besonderheiten besprochen werden. Da die Visite immer erst um 8:30 Uhr beginnt, habe ich dazwischen noch Zeit zu frühstücken.
Die Abteilung der „Maternité“ (Frauenheilkunde), für die ich vor allem zuständig bin, ist nur eine Minute entfernt von meinem Wohnhaus und oft höre ich die Schreie der gebärenden Frauen von hier aus – und im Notfall brauche ich nicht lange, um anwesend zu sein. Während der gemeinsamen Visite betreue ich Frauen vor, während und nach der vaginalen Geburt oder der Geburt per Kaiserschnitt, schätze die Entwicklung von Neugeborenen ein und behandele allgemeine gynäkologische Erkrankungen. Geplante Kaiserschnitte gibt es eigentlich nicht. In der Regel handelt es sich um dringliche oder Notkaiserschnitte, die nicht planbar sind. Glücklicherweise haben wir einen Krankenhausgenerator, der uns bei Bedarf mit Strom versorgt, so dass ich jederzeit operieren kann.
Anschließend visitiere ich oft noch Patient:innen auf anderen Stationen, vor allem der Chirurgie. Nach der Visite stehen noch weitere Untersuchungen an – vor allem Ultraschalluntersuchungen, die ich hier mit einem mobilen Ultraschallgerät durchführe und die ich aktuell für alle Abteilungen übernehme. Außerdem sehe ich Notfallpatient:innen oder helfe auf anderen Stationen aus.
Am Nachmittag gibt es dann eine zweite Visite um 15 Uhr, wo ich neu aufgenommene Patient:innen sehe und meine Verordnungen erneuere.
Jeden Tag und jede Nacht, den Sonntag ausgenommen, habe ich Rufbereitschaft. Hier sind es vor allem geburtshilfliche Notfälle oder Komplikationen, die in dieser Zeit anfallen. An manchen Tagen sehe ich fast alle geburtshilflichen Notfälle, die ein Lehrbuch zu bieten hat – von vorzeitiger Placentalösung über Eklampsien, Uterusrupturen, Zwillings- und Frühgeburten…
Da der Großteil des Personals, auch im Kreißsaal, über keine medizinische Ausbildung verfügt, habe ich meinen Schwerpunkt vor allem auf die fachliche Weiterbildung der Kolleg:innen gelegt: Für die Maternité habe ich gemeinsam mit der einzigen lokalen Hebamme ein Fortbildungscurriculum zum Thema geburtshilfliche Notfälle entwickelt, das neben theoretischen Inhalten auch ein Notfallsimulationstraining umfasste. Außerdem habe ich wöchentlich die Neugeborenenreanimation geübt und mit dem Team der Chirurgie die Abläufe im Falle eines Notkaiserschnittes trainiert.
Zudem übernehme ich auch viele koordinative und organisatorische Arbeiten – wie die Organisation von notwendigen Medikamenten und Materialien oder das Erstellen von Leitlinien und Protokollen für den Kreißsaal.
Was magst Du besonders an Deiner Arbeit?
Für mich ist jede Mutter, die unsere Klinik erreicht und diese mit einem (oder mehreren) gesunden Neugeborenen verlässt, ein Erfolg.
Ich habe unendlichen Respekt vor all den Frauen und Müttern der Zentralafrikanischen Republik, die ohne Schmerzmittel unter den schwierigen hiesigen Bedingungen ihre Kinder zur Welt bringen. Einen Teil dazu beitragen zu können, dass Frauen in der Region um Bossembélé sicher gebären können, ist einfach eine wunderbare, bestärkende und inspirierende Tätigkeit.
Meine tägliche Arbeit ist nur möglich durch die Akzeptanz und Integration durch meine Kolleg:innen, mit denen sich nach einiger Zeit ein sehr herzliches bis freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat. Ihre Motivation, regelmäßig außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten an meinen Fortbildungsangeboten teilzunehmen, hat mich sehr beeindruckt. Abgesehen davon, dass alle Familie haben und neben der Krankenhausarbeit noch die gesamte Care-Arbeit zuhause übernehmen müssen, arbeiten die meisten meiner Kolleginnen an ihren freien Tagen noch an anderen Stellen, beispielsweise auf dem Feld, um noch zusätzliche Einkünfte zu erzielen oder Nahrungsmittel selbst anzubauen. Die Last, die hier vor allem die Frauen tragen, ist unvorstellbar hoch und das Leben hart, ohne fließend Wasser und ohne Strom bewältigen die Kolleg:innen ihren Alltag, versorgen ihre Kinder und leisten 24h-Dienste in der Klinik. Was für mich ein humanitärer Einsatz ist, der immer noch mit vielen Annehmlichkeiten verbunden ist, ist für meine Kolleg:innen Alltag.
Das macht demütig, und auch nachsichtig.
Außerdem kann ich so viel von meinen Kolleg:innen lernen, die teilweise seit vielen Jahren im Kreißsaal arbeiten und somit unglaublich viel Erfahrung haben, obwohl ihnen eine medizinische Grundausbildung fehlt. Auch die Zusammenarbeit mit dem lokalen Klinikleiter, der einfach alle Abteilungen (Pädiatrie, Innere Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe) auf Facharztniveau betreuen kann, macht sehr viel Spaß – während ich ihm Ultraschalldiagnostik beibringen kann, unterstützt er mich bei komplizierten Operationen – dies ist ein sehr schöner Austausch von Wissen und gegenseitigem Teaching.
Gründe, warum Du für Cap Anamur arbeitest:
Es tut gut, mit einer Organisation zu arbeiten, die in der humanitären Hilfe auf so viele Jahre Erfahrung zurückblicken kann. Die Hilfe erreicht die Menschen effektiv, unkompliziert und schnell. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Land gibt es in der Zentralafrikanischen Republik nur wenige NGOs, die medizinische Hilfe leisten. Dabei handelt es sich um eine andauernde humanitäre Notlage, die von der Welt vergessen ist. Cap Anamur hat die Menschen in der ZAR auch in Konfliktzeiten nie allein gelassen und ist geblieben.
Einige Erinnerungen an besondere Momente:
In der Abteilung der Maternité werden monatlich durchschnittlich 45 Geburten betreut. Viele Frauen werden auch aus weiter entfernten Regionen und aus kleineren Gesundheitszentren
überwiesen, vor allem, wenn Probleme oder Komplikationen unter der Geburt auftreten. Dafür müssen die Frauen oft unter Wehen eine weite anstrengende Fahrt auf dem Motorrad auf sich nehmen.
Dementsprechend kommen viele Frauen völlig entkräftet bei uns an – so wie die 25-jährige Catherine, die schon seit über 20 Stunden in den Wehen lag. Bei vollständig geöffnetem Muttermund war aber seit mehreren Stunden ein Geburtsstillstand eingetreten – das Kind konnte nicht tiefer in den Geburtskanal eintreten. Nach langer, zehrender Fahrt zu uns in die Klinik konnten wir im Kreißsaal per vaginaler Untersuchung und Ultraschall den Grund für den Geburtsstillstand feststellen: eine Fehleinstellung des kindlichen Kopfes in Form eines hohen Geradstandes. Eigentlich eine Notwendigkeit für einen Kaiserschnitt, da diese Operation aber natürlich immer mit vielen Risiken für Mutter und Kind einhergeht und auch für zukünftige Folgeschwangerschaften ein enormes Risiko darstellt, sollte das Für und Wider immer gut abgewogen werden. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Frauen in der ZAR durchschnittlich sechs Kinder bekommen.
Ich unternahm also noch einen letzten Versuch, den Kaiserschnitt zu vermeiden, und zwar durch eine innere Drehung des kindlichen Kopfes, damit dieser durch das Becken treten konnte. Catherine hat so gut mitgemacht – und die Drehung war erfolgreich! Mit letzter Kraft hat sie dann innerhalb der nächsten halben Stunde eine gesunde Tochter mit einem Geburtsgewicht von 2600 g geboren.
Mitarbeiter-Porträts
10 Monate war Eva Fella als Hebamme für Cap Anamur im Sudan tätig. Dort hat sie die Arbeit in der Geburtsabteilung des Krankenhauses in den Nuba-Bergen unterstützt.
Judith Mletzko hat als Ärztin 6 Monate im Cap Anamur Krankenhaus in der Zentralafrikanischen Republik gearbeitet und berichtet eindrucksvoll von ihrem Einsatz.
Johannes Plate hat für Cap Anamur sieben Jahre im Krankenhaus im Sudan als Krankenpfleger und Projektkoordinator gearbeitet.
Der erste Einsatz der Krankenschwester Nele Grapentin führte sie nach Uganda, doch es soll auf keinen Fall ihr letzter Einsatz für Cap Anamur sein. Die Neugierde der Kinder, die unglaubliche Stärke der ugandischen Frauen und das so vielfältige Land – wenn Nele Grapentin von ihrem Einsatz erzählt, kommt sie schnell ins Schwärmen.
Die Kinderärztin Dorothea Kumpf war für Cap Anamur in Somalia. Sechs Monate lang arbeitete die junge Frau in einem Krankenhaus in Somalialand, einem Gebiet im Norden des Landes. Besonders die offene Art der Bevölkerung blieb ihr nachhaltig in Erinnerung.
Vor allem die starken Frauen beeindruckten Krankenschwester Karina Busemann in Somaliland. Wenn sie all die schönen Erinnerungen, die sie an ihre Zeit im Projekt hat, aufzählen müsste, so würde daraus wohl ein ganzes Buch werden. Die lachenden Kinder werden ihr noch lange im Gedächtnis bleiben.
Sowohl in Sierra Leone als auch in Uganda konnte Kinderkrankenschwester Simone Ross tolle Erfahrungen machen. Die Arbeit in der Notaufnahme, auf der Säuglings- und Kinderstation, bei den Schulungen der lokalen Mitarbeitern, die Organisation des Materials fürs Labor – die vielseitigen und abwechslungsreichen Aufgaben schätzte sie am meisten bei ihrer Arbeit im Projekt.
Der gebürtige Afghane Faisal Haidari arbeitet als Projektkoordinator für Cap Anamur in Afghanistan. Seit 2001 kümmert sich der Afghane, tadjikischer Abstammung, um den Fortgang der Cap Anamur-Projekte im unruhigen Afghanistan.
Thorsten Kirsch arbeitet als Krankenpfleger für Cap Anamur in Somaliland. Sein wichtigstes Gepäckstück für die Reise: Seine Gitarre. Sich da einbringen, wo seine Stärken liegen, und unheimlich viele Möglichkeiten haben, um sich weiterzubilden – Thorsten hat aus seinem Einsatz eine Menge für sich mitgenommen.
Der Gesundheits- und Krankenpfleger Mathias Voß war über ein Jahr in unserem Krankenhaus im Sudan tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die Visiten auf der Station, in der Notaufnahme oder der Mutter-Kind-Klinik und die Weiterbildung der lokalen Mitarbeiter:innen.
Die Krankenpflegerin Anika Wentz, berichtet über ihren 6monatigen Einsatz in unserem Krankenhaus in den Nuba Bergen im Süden des Sudans. Dort hat sie viele Dinge erlebt, die Sie bis heute beeindrucken.
Als Projektkoordinator kümmert sich Shabbir Ahmed vor Ort in Bangladesch um die Versorgung der Gesundheitseinrichtungen mit denen Cap Anamur Kooperationsverträge hat.