Cap Anamur in Bossembélé: Ein Anästhesist berichtet von seinem Einsatz
Zwischen Improvisation, Hoffnung und Realität – Anästhesist Milan berichtet von seinem Einsatz im Krankenhaus der Zentralafrikanischen Republik.
Nach einem langen Flug landet Milan in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Von dort geht es weiter in Richtung Nordwesten – nach Bossembélé, wo Cap Anamur seit vielen Jahren ein Krankenhaus unterstützt. Hier wird der junge Anästhesist in den kommenden Monaten arbeiten und gemeinsam mit dem lokalen Team versuchen, die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu verbessern.
„Als das Flugzeug durch die Wolken bricht und die grünen Graslandschaften unter mir auftauchen, wird mir klar: Jetzt beginnt mein Einsatz wirklich“, schreibt Milan in seinem ersten Bericht.
Schon die Fahrt von Bangui ins Projektgebiet ist ein Abenteuer. Über holprige Straßen, vorbei an Ziegen, die sich unbeeindruckt über die Straße treiben lassen, geht es durch hügelige Landschaften, bis schließlich das Krankenhaus von Bossembélé erreicht ist – ein einfacher, aber funktionaler Ort, an dem täglich Leben gerettet wird, aber auch viele Grenzen sichtbar werden.
Arbeit unter schwierigen Bedingungen
„Mein erster Tag beginnt früh – um 07:30 Uhr steht das morgendliche Team-Meeting an. Rund 30 Mitarbeitende sitzen im überdachten Korridor, der die Abteilungen miteinander verbindet. Dr. Trésor, der leitende Arzt, leitet die Besprechung. Als ich mich als Anästhesist vorstelle, bricht spontaner Applaus aus – offenbar wurde ich schon sehnsüchtig erwartet.“
Die Arbeit beginnt sofort: Milan begleitet zunächst die Kinderstation, wo viele kleine Patient:innen an Malaria erkrankt sind. Oft leiden sie zusätzlich an Mangelernährung oder Tuberkulose. Immer wieder sind schwierige Entscheidungen zu treffen – zwischen den Möglichkeiten, die vor Ort bestehen, und dem Wissen um Behandlungen, die in Europa selbstverständlich wären.
„Es ist nicht leicht, einem Vater zu erklären, dass wir seinem Sohn mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr helfen können“, schreibt Milan.
Momente der Hoffnung und des Verlusts
Im Operationssaal ist Improvisation gefragt. Viele Eingriffe werden unter einfachsten Bedingungen durchgeführt. „Bei der Neugeborenenversorgung nach einem Kaiserschnitt mussten wir zunächst den funktionierenden Beatmungsbeutel suchen – doch am Ende hat alles gut geklappt“, erzählt Milan.
Doch nicht alle Geschichten enden positiv: Ein junger Mann mit schwerer Gehirnschwellung nach wahrscheinlich bakterieller Meningitis stirbt trotz intensiver Therapie, eine Neugeborene mit schwerer Sepsis überlebt nur kurz nach wochenlanger kritischer Unterstützung. Auch Patient:innen mit AIDS oder schweren Infektionen können trotz bestmöglicher Pflege nicht immer gerettet werden. „Solche Momente sind hart, aber sie gehören zum Alltag hier.“, schreibt Milan.
Kleine Schritte, große Wirkung
Neben der täglichen Arbeit versucht Milan, Abläufe zu verbessern: Ausstattung des Operationsraums, Medikamente, Dosierungen, sicherere Anästhesieverfahren. „Es sind kleine Schritte, aber jeder davon kann Leben retten.“
Und es gibt auch die Momente, in denen die Hilfe sichtbar wirkt: Kinder, die nach Malariatherapie wieder lachen, Frauen, die nach einer schwierigen Geburt gesund entlassen werden, ältere Patient:innen, die nach Infektionen wieder aufstehen können. Diese Erfolge machen den Unterschied im Alltag.
Alltag abseits des OPs
Abseits der Arbeit genießt Milan einfache Momente: Spaziergänge durch das Dorf, Gespräche mit den Kolleg:innen, das Lernen einiger Wörter in der Landessprache Sango. „Wenn morgens die Sonne über die Landschaft aufgeht und wir zum Laufen gehen, ist das ein unglaubliches Gefühl. Trotz allem Chaos und der Schwere der Arbeit ist es bereichernd, Teil dieses Projekts zu sein.“
Ein realistischer Blick
Milan wird noch mehrere Monate in Bossembélé bleiben. Sein Einsatz steht stellvertretend für die Arbeit vieler Cap-Anamur-Fachkräfte weltweit: Sie teilen ihr Wissen, lernen dazu, stärken Strukturen und versorgen Menschen in Not – oft unter extrem schwierigen Bedingungen.
„Es gibt viel zu tun, und nicht alles endet gut. Aber jeden Tag sehe ich, dass wir kleine Unterschiede machen, die zählen. Genau das treibt mich an.“
