27. November 2025 Aktuelle Projekte, Libanon

Aktuelle Entwicklungen im Libanon – Cap Anamur vor Ort

Die brutalen Angriffe auf den Libanon halten seit fast zwei Monaten an und haben mittlerweile über 1,4 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Cap Anamur leistet weiterhin Nothilfe und versorgt die geflüchteten Menschen.

Die Lage im Libanon spitzt sich erneut zu. In den letzten Tagen kam es zu Luft- und Drohnenangriffen, darunter ein besonders schwerer Angriff auf das palästinensische Flüchtlingslager Ein el-Hilweh in Sidon. Mindestens 14 Menschen, darunter 12 Kinder, wurden getötet, weitere verletzt.

Die UN hat die Angriffe auf Zivilisten und auf die libanesische Bevölkerung als Bruch des Waffenstillstands von November 2024 verurteilt. Der UN-Sonderberichterstatter Morris Tidball-Binz bezeichnet diese Vorfälle als Kriegsverbrechen und Verletzung der UN-Charta. Die wiederholten Angriffe zeigen, dass der Waffenstillstand zunehmend gebrochen wird und die Lage im Libanon weiterhin äußerst fragil bleibt.

Warum die Patientenzahlen in den vergangenen Monaten zurückgegangen sind

Vor dem jüngsten Angriff war in unseren Projekten ein deutlicher Rückgang der Patientenzahlen zu beobachten. Die anhaltend unsichere Lage im Libanon sowie die vermehrten Zwangsausweisungen von Syrerinnen und Syrern führten dazu, dass zahlreiche Unterkünfte geräumt wurden und viele Menschen die Region verlassen mussten.

Ein Teil der syrischen Bevölkerung ist zudem freiwillig zurückgekehrt. Dies passiert häufig erst nach einer persönlichen Einschätzung der Sicherheitslage in ihren Herkunftsgebieten. Kleinere finanzielle Anreize der neuen libanesischen Regierung spielten dabei ebenfalls eine Rolle.

Wirtschaftliche Not und sinkende Hilfe

Gleichzeitig konnten sich viele Familien die medizinische Versorgung im Libanon schlicht nicht mehr leisten. Die ohnehin schwierige wirtschaftliche Situation hat sich weiter zugespitzt und die Lebensbedingungen massiv verschlechtert:

  • Importierte Produkte und Medikamente sind extrem teuer, auch die Preise für lokale Waren sind stark gestiegen.
  • Viele syrische und palästinensische Familien ziehen sich aufgrund von Unsicherheit und wirtschaftlicher Einschränkungen aus dem öffentlichen Leben zurück.
  • Zahlreiche internationale Hilfsorganisationen haben aufgrund der niedrigeren Patientenzahlen ihre Arbeit reduziert oder sich ganz zurückgezogen.
  • UNHCR wird Ende 2025 seine Zahlungen für registrierte Geflüchtete im Libanon einstellen, und UNICEF plant ab Juni 2026 die Schulunterstützung für syrische Kinder zu beenden. Damit fallen zentrale Hilfsstrukturen weg, die für viele Familien bislang ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleistet haben.

Trotzdem entscheiden sich viele syrische Familien dafür, im Libanon zu bleiben. Gerade in den ländlichen Regionen Syriens gibt es nach wie vor keinerlei Perspektiven auf Bildung, medizinische Versorgung oder stabile Lebensgrundlagen.

Rückkehr und Perspektiven in Syrien

Nach Einschätzung von Volker Rath, unserem Vorsitzenden und Projektkoordinator für den Libanon, sind die Entwicklungen komplex: Viele Syrerinnen und Syrer arbeiten seit Jahrzehnten als Erntehelfer im Libanon. Ab 2015 blieben viele dauerhaft und brachten ihre Familien mit. Damals sanken die Löhne durch das Überangebot an Arbeitskräften auf etwa 1 US-Dollar pro Tag. Inzwischen sind die Löhne wieder leicht gestiegen, sodass diejenigen, die Arbeit haben, zumindest auf niedrigem Niveau über die Runden kommen.

Die Rückkehr nach Syrien erfolgt vor allem in die Städte wie Damaskus, Homs oder Aleppo, die trotz der Krise weiterhin eine gewisse Infrastruktur aufrechterhalten. Für diese Menschen ist es möglich, langsam wieder eine Zukunft in ihrer alten Heimat aufzubauen. Wer aus ländlichen Regionen stammt, wartet dagegen noch ab: Die syrische Landwirtschaft braucht enorme Unterstützung, um wieder produktiv zu werden. Maschinen, Saatgut und andere Ressourcen fehlen, sodass eine vollständige Stabilisierung wohl mindestens zwei Jahre dauern wird.

Warum unsere Präsenz jetzt besonders wichtig ist

Gerade jetzt, da sich die Sicherheitslage durch die jüngsten Angriffe erneut verschärft, ist unsere kontinuierliche Präsenz vor Ort entscheidend. Viele internationale Hilfsorganisationen haben aufgrund sinkender Patientenzahlen ihre Arbeit reduziert oder sich ganz zurückgezogen. Genau hier setzt Cap Anamur an: Wir füllen diese Lücke, bleiben vor Ort und stellen sicher, dass medizinische Versorgung auch in schwierigen Zeiten verfügbar bleibt.

Unsere mobilen Kliniken erreichen Menschen, die sonst keinen Zugang zu überlasteten Krankenhäusern hätten. Wir können sofort reagieren, wenn die Zahl der Patient:innen wieder steigt – und das ohne Unterbrechung. Für die Familien, die oft keinen anderen Anlaufpunkt haben, bedeutet unsere Präsenz verlässliche medizinische Hilfe und eine dringend benötigte Stabilität im Alltag.

Indem Cap Anamur diese Lücke füllt, sichern wir nicht nur die Versorgung, sondern geben den Menschen Hoffnung und Perspektive. Jede Untersuchung und jede Behandlung zählt und sorgt dafür, dass die verletzlichsten Familien im Libanon nicht allein gelassen werden.

Unsere Arbeit in Sidon

Seit 2016 unterstützt Cap Anamur in Sidon syrische und palästinensische Geflüchtete, die zu den verletzlichsten Gruppen gehören. Fünf Schulen wurden zu Notunterkünften umfunktioniert, unsere mobilen Kliniken versorgen täglich Menschen, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Hilfe haben. Wir sichern die medizinische Versorgung, auch wenn Preise für Lebensmittel und Medikamente steigen und Familien sich kaum noch das Nötigste leisten können.

Jeder Patient zählt. Jede Behandlung kann Leben retten. Auch inmitten von Unsicherheit, Eskalation und wirtschaftlicher Not setzen wir alles daran, dass unsere medizinische Hilfe verfügbar bleibt.

Ihre Hilfe rettet Leben. Unterstützen Sie unsere Arbeit im Libanon.