20. Dezember 2023 Afghanistan, Projektberichte

Eine Chance für Frauen in Afghanistan auf eine berufliche Zukunft

Mit unserem Ausbildungskurs bieten wir den Frauen in Afghanistan eine Chance auf eine berufliche Zukunft und als Krankenpflegekräfte tragen sie anschließend zur medizinischen Versorgung der afghanischen Bevölkerung bei.

Cap Anamur bildet Frauen in Afghanistan zur Krankenpflegekräften aus
Die Ausbildung ist eine einzigartige Chance für die afghanischen Frauen sich eine berufliche Zukunft aufzubauen.

Cap Anamur bildet seit 2009 afghanische Frauen zu Hebammen und Krankenpflegekräften aus. Trotz des Regimewechsels 2021 und den geltenden Einschränkungen für Frauen, die sie beispielsweise von Universitäten ausschließen, können wir unser Ausbildungsprogramm weiterführen.

Unsere Lehrerin Hamelyar Hussei berichtet vom aktuellen Ausbildungskurs, den wir Mitte September diesen Jahres mit 39 Auszubildenden gestartet haben.

In drei Jahren werden die Teilnehmerinnen dann als examinierte Krankenpflegerinnen zurück in ihre Heimatdörfer kehren, um dort die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu übernehmen.

Welchen Beruf haben Sie gelernt und welches Aufgabenfeld betreuen sie in unserer Krankenpflege-Ausbildung?

Ich habe Krankenpflege gelernt und 2012 mein staatliches Examen bestanden und bin zurzeit als Lehrerin und Praxisanleiterin im laufenden Krankenpflegeausbildungsprogramm von Cap Anamur tätig.

Wie viele Schülerinnen nehmen an der Ausbildung teil und woher stammen die Ausbildungsteilnehmerinnen?

Wir befinden uns jetzt in der 14. Ausbildungswoche der dreijährigen Ausbildung, an der 39 Auszubildende teilnehmen; davon sind jeweils 10 Personen aus entlegeneren Distrikten wie Ghur und Badghis und andere aus den umliegenden Gebieten der Provinzhauptstadt Herat.

Herat wurde ja in diesem Jahr durch ein Erdbeben und mehrere Nachbeben erschüttert, wie haben sie das Erdbeben erlebt?

Das Erdbeben war für uns alle eine furchtbare Erfahrung, viele Gebäude hier sind nicht vertrauenswürdig. Aus Angst verschüttet zu werden haben wir in Höfen und Gärten Lager aufgeschlagen und das normale Leben ist in sich zusammengebrochen. Irgendwann fing es auch an nachts richtig kalt zu werden und es kam noch ein Sandsturm hinzu, der sich über mehrere Tage hinzog. Uns sitzt allen noch der Schreck in den Knochen. Das Epizentrum war zum Glück nicht in Herat-Zentrum, sonst hätte es sicherlich noch mehr Tote gegeben. Manche Dörfer hat es aber schwer erwischt und ganze Familien wurden getötet unter den Trümmern ihrer Häuser begraben.

Nach dem Regimewechsel hat sich vieles stark verändert in Afghanistan, können sie unter diesen Bedingungen noch eine qualitativ hochwertige Ausbildung gewähren?

Trotz erschwerter Bedingungen und strengeren Auflagen versuchen wir die Qualität aufrecht zu erhalten. Dies gelingt uns durch die tatkräftige Unterstützung von Cap Anamur. So erhalten wir Arbeitsmaterialien, Unterkunft und Verpflegung für die Schülerinnen und ihre Kinder oder unsere Gehälter. Wir haben Dank Cap Anamur die Rahmenbedingungen, um das Niveau aufrecht zu erhalten und zu steigern.

Wie sind die Chancen für Absolventen der Cap Anamur Ausbildung später eine Anstellung zu finden?

Wir halten auch nach der Ausbildung Kontakt zu unseren Schülerinnen und es finden auch von Seiten des Gesundheitsministeriums Kontrollen statt, hierbei werden Qualitäts-und Leistungspunkte vergeben. Bisher haben unsere Absolventinnen immer sehr gut abgeschnitten. Am weitesten entfernt von Herat arbeitet eine unserer Krankenpflegerinnen in Farzi, 180 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Da die Ausbildung nach nationalem Standard und Curriculum stattfindet und das Examen auch staatlich ist und zudem das Niveau unserer Ausbildung als hoch bekannt ist, können unsere Schülerinnen später überall in Afghanistan arbeiten.

Es ist den Schülerinnen nach der sechsten Klasse gegenwärtig nicht erlaubt, weiter eine öffentliche Schule zu besuchen. Wird es in ein paar Jahren nicht schwierig werden, Schülerinnen auf dem erforderlichen Schulniveau zu finden? Die Zulassungsprüfungen für die Ausbildung sind ja eher auf 12-Klasse Leistungsniveau ausgerichtet?

Ja, das wird ein großes Problem in der Zukunft werden. Unser Hauptziel war es immer, aus den ländlichen Gebieten Schülerinnen für die Ausbildung zu gewinnen. Als gut ausgebildetes und medizinisch geschultes Personal mit viel Praxiserfahrung werden sie anschließend in die entlegenen Herkunftsregionen zurückgeschickt, um die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern. Das Provinzhospital hat ein sehr großes Einzugsgebiet und hier können unsere Schülerinnen sehr viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Unter den gegebenen Umständen befürchten wir, dass die Mädchen in dörflichen Regionen keinen Zugang zu Bildung mehr haben werden. Im Vergleich hat man in der Stadt noch die Chance, über Privatunterricht zuhause, sofern man die finanziellen Mittel hat, die entstehenden Bildungslücken zu schließen.

Wie schätzen sie die aktuelle medizinische Versorgung der Bevölkerung in Herat-Provinz ein?

Leider stagnieren viele Programme, wie z.B. Familienplanung, Gesundheitsaufklärung, Impfkampagnen. Es fehlt an Personal, auch weil viele außer Landes geflüchtet sind. Und vorhandene weibliche Fachkräfte dürfen wiederum nicht in Dorfregionen fahren, da dies durch Regierungsauflagen besonders erschwert ist.

Wie kann man die Menschen denn erreichen, wenn sich der Lebensalltag größtenteils in den eigenen vier Wänden abspielt?

Man könnte über Online-Schulungen nachdenken, in denen man natürlich nur Hände usw. sieht und Stimme hört, aber sehr viel theoretisches Wissen vermitteln kann. Dies ist natürlich nur für den Personenkreis der Zugang zu Internet hat möglich. Aber es wäre eine Chance mehr Frauen zu erreichen.

Gibt es Wünsche und Verbesserungsvorschläge von Ihrer Seite?

Ja, ich würde mir wünschen, dass Cap Anamur auch wieder das Hebammen-Ausbildungsprogramm startet. Es gab eine Zeit lang genug geschulte Hebammen, aber jetzt hat sich die Lage geändert. Es gibt auch durch viele Geflüchtete, die aus Pakistan oder Iran ins Land zurückkommen, mehr Patienten und durch die Abwanderung des geschulten Personals, fehlen uns Hebammen.

Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Ausbildung von Frauen in Afghanistan! Bitte mit dem Verwendungszweck „AFGHANISTAN“. Vielen Dank!