20. August 2021 Libanon, Projektberichte

Der Libanon bewegt sich weiter an den Rand des Abgrunds

Seit zwei Wochen verschärft sich die Situation im Libanon erneut – Cap Anamur hilft, trotz katastrophaler Zustände.

Nicht erst seit der Explosion vor einem Jahr in Beirut kämpft das Land gegen eine Finanz- und Wirtschaftskrise und die vorherrschende Korruption. Aktuell steigt die Inflation so schnell wie noch nie und viele lebensnotwendige Güter sind für den Großteil der Bevölkerung nicht mehr finanzierbar.

Seit Wochen wird auch die Versorgung mit Benzin immer problematischer, und letzte Woche eskalierte die Situation. Denn die Stromversorgung im Libanon findet über benzinbetriebene Generatoren statt. Die Treibstoffknappheit führte nun dazu, dass diese Generatoren nicht mehr in der Lage waren die Stromversorgung zu gewährleisten. So fällt seit dem vergangenen Wochenende der Strom im ganzen Land für Stunden aus.

Die Konsequenzen des Zusammenbruchs des Stromnetzes sind katastrophal

Es gibt nicht genügend private Stromgeneratoren um beispielsweise Kühlketten zu gewährleisten. So verderben gerade Tonnen von Lebensmitteln. Und das bei der bereits sehr prekären Versorgungslage. Denn Lebensmittel werden immer knapper oder sind so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten kann. Auch lebenswichtige Medikamente für chronisch kranke Menschen sind seit längerem nicht mehr zu bekommen.

Ohne Strom können auch die Krankenhäuser ihren Betrieb nicht aufrechterhalten. Menschen, die an Beatmungsgeräte angeschlossen sind oder die wichtige Dialyse-Behandlungen benötigen, drohen zu sterben.

Der Zusammenbruch des Stromnetzes und die katastrophale Versorgungslage führen das Land an den Rand einer humanitären Katastrophe.

Cap Anamur gewährleistet auch weiterhin Hilfe für die Ärmsten des Landes

Für unser Projekt im Südlibanon – in Sidon – bedeuten diese Entwicklungen, dass wir an unsere Reserven gehen müssen. Bisher haben wir mit einer mobilen Klinik die syrischen Flüchtlinge in den Siedlungen rund um Sidon medizinisch versorgt. Nun müssen wir diese Einsätze aufgrund des knappen Treibstoffs anders koordinieren und einteilen.

Mit der Physiotherapie-Praxis, mit der wir Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen behandeln, sind wir auch weiterhin aktiv tätig, müssen jedoch die Transporte der Kinder der Situation anpassen.

Die etwa 2.000 syrischen Familien, die wir regelmäßig mit Lebensmittelpaketen versorgen, können wir auch weiterhin unterstützen. Unser Versorgungsnetzwerk ist so stabil, dass wir die wichtigsten Nahrungsmittel weiterhin erhalten.

Durch die Anwesenheit unseres Projektleiters Volker Rath konnten wir schon seit längerem die Entwicklungen im Lande einschätzen und haben einige Güter bevorratet.

Volker Rath berichtet aktuell von der Situation im Libanon:

„Wir müssen jetzt unsere Reserven anbrechen um auch weiterhin helfen zu können. Wir hatten vorausschauend Lagerkapazitäten für Medikamente, medizinische Verbrauchsgüter, Lebensmittel und Benzin gebildet. Aktuell bekommen wir keinen Nachschub mehr in das isolierte Land, daher müssen wir uns nun aus diesen Lagerbeständen versorgen.

Insbesondere der absolute Mangel an Benzin lähmt die gesamte Infrastruktur. Hier geht es nicht nur um Transporte, sondern auch um Stromerzeugung. Kühlketten sind unterbrochen und notwendige, lebenserhaltende medizinische Apparate stehen still. Vor allem die Versorgung mit Wasser ist stark gelähmt. Wir sparen Rohstoffe wo wir nur können und konzentrieren uns auf das absolut Nötigste, um die Hilfe für die Ärmsten weiterhin zu gewährleisten.“

Um auch weiterhin für die Menschen im Libanon Hilfe leisten zu können, sind wir auch auf Hilfe angewiesen.