1. Dezember 2022 Libanon, Projektberichte

Die Herausforderungen für Familien mit behinderten Kindern

Das Leben mit einem behinderten Kind ist für Familien mit vielen Herausforderungen verbunden. Familien, die darüber hinaus auf der Flucht sind, oder als Geflüchtete in einem fremden Land leben, sind noch viel größeren Herausforderungen ausgesetzt.

Im Libanon betreut Cap Anamur einige syrische Familien, die meist keine oder nur sehr wenig Unterstützung für die Betreuung ihrer Kinder erhalten.

Die syrischen Geflüchteten leben am Rand der Gesellschaft

Das Leben der syrischen Geflüchteten im Libanon ist, nicht erst seit der zunehmenden Wirtschaftskrise im Land, sehr schwierig. Die wirtschaftliche Situation des Landes ist katastrophal. Die Regierung kann sich schon lange nicht mehr um die mehr als 2 Millionen syrischen Menschen im Land kümmern. Einen Zugang zum Gesundheits- oder Bildungssystem bleibt ihnen meist verwehrt und Einkommensmöglichkeiten sind sehr begrenzt.

Unter diesen Umständen können Familien mit behinderten Kindern diesen meist keine adäquaten Behandlungen zukommen lassen. Denn viele der syrischen Familien leben am Existenzminimum.

Cap Anamur betreibt seit 2018 eine Physiotherapie-Praxis für behinderte Kinder

In unserer Physiotherapie-Praxis in Sidon, im Süden des Libanon, erhalten etwa 40 Jungen und Mädchen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen Hilfe für die Rehabilitation. Für jedes Kind wird ein spezieller Therapie-Plan erstellt. Durch regelmäßige Behandlungen verbessert sich der Gesundheitszustand der Kinder meist deutlich. Sie lernen sprechen, gehen oder kleine Alltagsdinge wie Zähneputzen oder alleine Essen.

Nasr – eins von 40 Kindern, die wir monatlich behandeln

Seit etwa 1,5 Jahren behandeln wir den siebenjährigen Nasr in unserer Physiotherapie-Praxis. Sein Vater kam aus Syrien in den Libanon, um dort zu arbeiten. Seine Mutter ist 2014 für einen kurzen Besuch in den Libanon gekommen. Da zur gleichen Zeit in ihrem syrischen Heimatdorf Krieg ausgebrochen ist, konnte sie nicht mehr zurück. Nasr ist 2015 im Libanon auf die Welt gekommen. Von Geburt an war er körperlich behindert. Der lange Krankenhausaufenthalt nach seiner Geburt und zahlreiche Operationen haben die Familie gezwungen ihr Hab und Gut in Syrien zu verkaufen. Nur so konnten sie sich die Behandlung ihres Kindes leisten. Seither leben sie nahezu mittellos in einer Geflüchteten-Siedlung in Sidon.

Die Familie konnte sich eine Behandlung bisher nicht leisten

Seit der Vater durch einen Unfall zudem zeitweise erwerbsunfähig wurde, müssen die beiden ältesten Söhne arbeiten, um die Familie zu versorgen. Die Mutter kann keiner Beschäftigung nachgehen, da sie sich um Nasr kümmern muss. Hilfe vom Staat erhält die Familie nicht. Keines der 5 Kinder geht zur Schule, da die Eltern kein Geld für einen Schulbesuch haben. Auch eine dringend notwendige Behandlung von Nasr konnte nicht finanziert werden.

Seit 2020 wird der Junge nun in unserer Praxis behandelt. In dieser Zeit hat er deutliche Fortschritte gemacht. Zu Beginn der Therapie hatte er völlig versteifte Gliedmaßen. Er konnte weder laufen noch eigenständig vom Boden aufstehen. Mittlerweile kann er kurze Zeit selbstständig stehen und eine Strecke von sechs Metern laufen. Mit seiner linken Hand, die er zuvor nicht nutzen konnte, kann er jetzt greifen und sich zum Laufen festhalten. Nasr hat seither viel mehr Lebensfreude. Er kann sich eigenständiger bewegen oder selbstständig Essen. Diese kleinen Fortschritte entlasten die Familie zumindest für kurze Momente.

Es gibt noch viele weitere Herausforderungen

Doch bleiben der Familie noch viele weitere Sorgen, die sie aufgrund der existenziellen Not kaum lösen können. Wichtige Behandlungen, beispielsweise bei einem Radiologen, sind finanziell nicht möglich. Auch Windeln, die Nasr benötigt, kosten mehr als die Familie erwirtschaften kann.

Daher unterstützen wir diese, wie auch etwa 2.000 weitere syrische und libanesische Familien, mit regelmäßigen Lebensmittelpaketen.