29. September 2021 Sudan, Projektberichte

Wie man einen Krankenhausbetrieb in den entlegenen Nuba-Bergen am Laufen hält

Unser Projektmitarbeiter Andreas Wienhold schildert seinen Einsatz als Handwerker im Cap Anamur Krankenhaus in den Nuba-Bergen.

Kein offizieller Korridor für humanitäre Hilfgüter, keine ansässige Industrie und Infrastruktur

Der aktive Krieg im Sudan ist vorbei, die erhofften Friedensgespräche geraten ins Stocken – und noch immer gibt es keinen offiziellen Korridor für humanitäre Hilfsgüter. Mitte Oktober kehrt Andreas Wienhold nach einem Heimaturlaub zurück in den Sudan, um dort seine Arbeit für weitere Monate wieder aufzunehmen.

Zwei Mal im Jahr füllen wir unsere Lager mit Baumaterial, Medikamenten und Lebensmitteln auf

Zwei Handelscontainer voll beladen mit wichtigem Inhalt für Bau- und Instandhaltungsarbeiten, medizinisches Equipment, Krankenhausausstattung und Lebensmitteln starten von Nairobi aus über Uganda durch den kompletten Südsudan, wo die offizielle Transportroute im Flüchtlingscamp Yida endet. Abladen, sortieren und wieder aufladen auf lokale Trucks, die den beschwerlichen Weg nach Lwere in den Sudan auf sich nehmen. Wichtige Medikamente und Versorgungsgüter müssen vereinzelt sogar zwischenzeitlich eingeflogen werden, um die Versorgung aufrecht zu erhalten, was das Budget finanziell an die Belastungsgrenze bringt.

Zu unserem Nachteil setzt die Regenzeit immer stärker ein und die Straßenverhältnisse werden von Tag zu Tag schlechter, was nicht nur die Fahrzeuge extrem belastet und die ein oder andere Reparatur auf der Straße nicht ausbleibt, sondern auch die Energie und Einsatzbereitschaft der gesamten Crew fordert. Die Fahrzeuge ackern im Konvoi durch Schlamm, Matsch und Flüsse mit stetig steigendem Wasserstand. Knapp drei Wochen geht es auf der Strecke zwischen Yida und Lwere hin und zurück bis die wichtigsten Hilfsgüter im Lager verstaut sind. Ein jeder packt mit an, denn alle wissen das keine anderen Hilfsgüter zu Verfügung stehen die das Krankenhaus für die nächsten sechs Monate versorgen.

Die Planung, Organisation und Umsetzung dieser Mammutaufgabe die halbjährlich durchgeführt werden muss um dringend benötigte Hilfsgüter in die abgelegene Bergregion zu bringen, ist einer der finanziellen Hauptfaktoren und ist für das Projekt überlebensnotwendig.

Das Leben in den Nuba-Bergen

Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass einem klar wird wie gnadenlos das Leben mitten im Outback ist. Hunderte Meter bis zum nächsten Wasserloch legen viele mit einem 20 Liter Kanister auf dem Kopf mehrmals täglich zurück nur um die Familie mit Wasser versorgen zu können. Grundnahrungsmittel werden selbst angebaut und täglich werden die Felder gepflegt, gehegt und vor den Ziegen gehütet, denen das wenige Angebaute natürlich auch besser schmeckt als der trockene Grashalm.

Bei einem medizinischen Notfall dauert es Stunden, ja sogar Tage um einen Healthposten oder gar das Krankenhaus zu erreichen, wodurch schon die kleinste Infektionskrankheit zu schwerwiegenden Folgen führen, oder gar den Tod mitten auf der Straße bedeuten kann. Nicht selten gabelt man Kranke, Verletzte oder auch Frauen kurz vor der Entbindung sitzend auf einem Esel auf und nimmt sie umgehend mit ins Krankenhaus.

Durch die Gastfreundlichkeit, Lebensfreude und bedingungslose Hilfsbereitschaft der Menschen, kann ich es nur schwer ertragen die traurigen, teils gar heftigen und brutalen Schicksale, Situationen zu akzeptieren und zu verstehen.

Umso wichtiger ist es daher, ein starkes Team zu sein, das füreinander da ist und sich gegenseitig unterstützt. Situationen und Erlebnisse werden besprochen und diskutiert, Aufgabenbereiche werden geteilt und übernommen um für Entlastung zu sorgen. Denn eine Krankenschwester wir plötzlich zur Unterstützung für die Notstromgeneratoren benötigt oder als Handwerker landet man in einer medizinischen Behandlung. Den ein oder anderen Tag ist es uns möglich, nach der Arbeit für knapp zwei Stunden die Ruhe und den Sonnenuntergang auf unserem sogenannten „Hausberg“ zu genießen.

Das Leben hier ist entschleunigt, auf das Lebenswichtigste eingestellt. Kein Wasser aus der Wand, die Stromkapazität ist stark eingeschränkt und an einen Supermarkt mit gefüllten Regalen ist gar nicht zu denken. Kein Radio, kein Kabelfernsehen, dass einem pausenlos versucht zu erklären, wie die Welt zu sein hat. Kein Verkehrslärm, keine Lichtverschmutzung… einen klareren Sternenhimmel habe ich wohl noch nie gesehen.

Die nötige Auszeit, knapp alle halben Jahre diese Region der Welt zu verlassen, muss man sich nehmen – auch wenn es schwer fällt seine Aufgabenbereiche für eine kurze Zeit zurückzulassen. Doch bevor man diese Auszeit in der Heimat genießen kann, hatten sich Ausreisedatum und Regenzeit perfekt abgesprochen und die Rückfahrt wurde zu einer zweitägigen Schlammschlacht, bis wir dreckverschmiert im Flüchtlingscamp eintreffen. Ein Tag bleibt uns um Kleidung und uns selbst etwas zivilisationsgerecht aussehen zu lassen, bevor es mit dem Flugzeug wieder etappenweise in den Heimaturlaub geht.“

„Aus Trisching zum Krankenhausausbau in den Sudan: Andreas Wienhold hilft“

Lesen Sie hier auch einen ausführlichen Artikel über den Einsatz von Andreas für Cap Anamur.

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Hören Sie sich hier unsere aktuelle Podcast-Folge über unsere Arbeit im Sudan an.

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